Von Horst Jäcker nach Erzählungen von Heinrich und Helmut Sunderbrink
Als wir im Jahre 1970 unser Haus im Helenenweg in Rehme bezogen, wohnte neben uns Heinrich Sunderbrink. Er war 1887 geboren und verstarb 1973. Trotz der kurzen Zeit, in der wir Nachbarn waren, saß ich häufig mit dem netten, alten Herrn auf der Bank vor seinem Haus und hörte mir interessanten Erzählungen an. In seiner liebenswürdigen Art berichtete mir Heinrich Sunderbrink so auch von seiner ersten Begegnung mit einem Automobil. Diese Geschichte fand ich so interessant, dass ich sie hierdurch der Nachwelt erhalten möchte. Genauere Hinweise dazu gab mir sein Sohn Helmut Sunderbrink (1912 – 1999), der in Kirchlengern (Kreis Herford) wohnte und dort als Schulleiter tätig war. Helmut Sunderbrink: „Die Eltern meines Vaters wohnten in Babbenhausen an der Vlothoer Straße. Dort hatte mein Vater in seiner Kindheit ein aufregendes Erlebnis, von dem er uns Kindern öfter erzählte.“ Hier die Erzählung von Opa Sunderbrink, wie unser Sohn Lutz den netten alten Herrn nannte: „Als ich etwa 8 Jahre alt (Ca. im Jahre 1895) war, musste ich öfter meinem Vater das Mittagessen in einem Henkelkropf nach Vlotho bringen. Er arbeitete dort in einer Zigarrenfabrik. Mein Weg ging auf der Straße, so wie sie heute noch verläuft, am Gut Deesberg vorbei, durch die Bahnunterführung der Südbahn. Dort hatte ich eines Tages ein „schreckliches Erlebnis“. Ich hörte hinter mir ein lautes Geknatter und, als ich mich umschaute, sah ich einen Kutschwagen heranrollen. Der Wagen fuhr auf mich zu, obwohl er nicht von Pferden gezogen wurde. Auf dem „Zauberwagen“ saßen einige Männer, die Kappen auf dem Kopf und komische Brillen trugen. Vor Schreck sprang ich hinter einen Baum und erlebte nun, wie der Kutschwagen mit lautem Knattern vorbei rollte und ich sah, dass er vier Räder hatte und mit einer Wolke voll Gestank in Richtung Vlotho verschwand. Bald war ich mit meinem Henkeltopf in Vlotho bei meinem Vater und erzählte ihm mein Erlebnis. Er glaubte mir nicht und sagte: “Du lügst!“ Dazu bekam ich zur Strafe noch ein paar Ohrfeigen. Als ich dann wieder nach Haus kam, berichtete ich aufgeregt über das Erlebte. Meine Großmutter fing laut an zu beten und klagte, dass nun die Welt untergehen würde, weil in der Bibel stände, dass der Weltuntergang käme, wenn die Wagen ohne Rösser fahren würden.“ Zum Schluß dieser Geschichte möchte der Schreiber dieser Zeilen noch etwas hinzufügen, was Heinrich Sunderbrink ihm bei seinen Treffen auf der Gartenbank erzählte.
Nach der Begegnung mit der „Kutsche ohne Pferde“, kam der damals Achtjährige, verspätet zur Schule. Auch dort wollte ihm sein Lehrer das Erlebte nicht glauben und unterzog den Körperteil, auf dem die Menschen normaler Weise sitzen, einer intensiven Behandlung mit dem Rohrstock, die erst einstellte, als der Schüler Sunderbrink ihm sagte, dass die Kutsche doch von Pferden gezogen worden wäre. Nach all diesen Erlebnissen, nach der Begegnung mit dem ersten Automobil, ist es nicht verwunderlich, dass Heinrich Sunderbrink niemals einen Führerschein besaß und seine Geschäfte, als selbständiger Tischlermeister, mit einem Leichtmotorrad erledigte. Sicherlich würden die Menschen aus der Zeit damals ungläubig zuhören, wenn man ihnen Näheres über den späteren Siegeszug des Automobils, einer Deutschen Erfindung, um die ganze Welt, erzählen würde.
Fotos: Heinrich Sunderbrink