Am 12. September 1944 – es hatte noch kein alliierter Soldat deutschen Boden betreten – unterzeichneten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion das Londoner Zonenprotokoll. Nach ihrem Sieg wollten die Verbündeten Deutschland und dessen Hauptstadt Berlin in Besatzungszonen aufteilen. Vorsorglich räumte man sich auch gegenseitig das Recht zur militärischen Nachrichtenbeschaffung in allen Zonen ein.
Bei den Oberkommandierenden der Besatzungszonen sollten Militär-verbindungsmissionen der Westalliierten einerseits und der Sowjetunion andererseits eingerichtet werden. Von 1946 bis 1990 gab es in Deutschland sechs Militärmissionen: Je eine amerikanische, britische und französische bei der sowjetischen Besatzungstruppe in Potsdam und je eine in den drei Besatzungszonen der Westalliierten. Die Stärke war auf jeweils drei Dutzend Mann beschränkt. Sie betrieben “offene militärische Aufklärung” in beiden Teilen Deutschlands. Ich bin heute aber ganz sicher, daß die Bewegungsfreiheit der westlichen Missionen in der damaligen DDR wesentlich eingeschränkter war, als die der Russen bei uns.
Die sowjetischen Militärmissionen wurden beim jeweiligen Hauptquartier der amerikanischen, britischen und französischen Streitkräfte akkreditiert und in dessen Nähe angesiedelt. Das wurden Frankfurt / Main für die Zone der Amerikaner, Baden – Baden für die Zone der Franzosen und ein Ort in der Nähe vom Hauptquartier der britischen Rhine – Army, nämlich Bad Oeynhausen. Bis zum Umzug nach Mönchengladbach. Der Hinweis darauf, war schon während des Krieges, durch Flugblätter, die über der ostwestfälischen Badestadt von der britischen Royal Air Force abgeworfen worden waren, angekündigt worden. Darauf war zu lesen:
“Bad Oeynhausen Dich wollen wir schonen, da wollen wir später wohnen!”
So fielen auch kaum Bomben auf die Innenstadt von Bad Oeynhausen.
Hauptangriffsziele waren hier das Eisenwerk Weserhütte und die Eisenbahnlinie Köln / Hannover.
Im Bereich der britischen Besatzungszone (Nordwestdeutschland) war die Sowjetische Militärverbindungsmission zunächst in Bad Salzuflen, dann kurz in Lübbecke und von 1957 bis zu ihrer Auflösung Ende 1990 in Bünde / Westfalen. Ihr Arbeits – und Wohnbereich in der Engelstraße, am Rande einer britischen Soldatensiedlung, war durch hohe Drahtzäune hermetisch abgeriegelt. Das Gelände wurde von außen von britischen Soldaten und innen von russischen Soldaten bewacht.
Ich kann mich gut daran erinnern, als ich den ersten uniformierten sowjetischen Soldaten in meinem Leben gesehen habe. Es war wenige Tage nach der Geburt meiner jüngsten Schwester Annegret, im August 1946. Da kam nämlich ein sehr freundlicher Offizier zu meinem Vater in den Betrieb und brachte ihm einen großen Tonkrug, der mit Wodka gefüllt war. Das Geschenk hat den Freunden meiner Eltern in der damaligen Zeit große Freude bereitet.
Von diesem Zeitpunkt an hat unsere Firma, das Autohaus Jäcker, immer gute, angenehme, geschäftliche Kontakte zu den Russen gehabt. Ich habe viele Jahre lang Automobile an die Mission verkauft und bin dort, was keine Selbstverständlichkeit war, aus – und eingegangen. Meine Familie und ein paar wichtige Mitarbeiter unserer Firma haben häufig Empfänge in der Mission in Bünde besucht. Anlässe waren zumeist: Die Oktoberrevolution, der Tag der Frau und militärische Jubiläen.
Foto 1: Vladimir Kostin
Autokennzeichen der sowjetischen, amerikanischen, französischen und britischen Militärverbindungsmissionen in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Missionen sollten zunächst einmal, eingedenk der Hitlerschen Kriegstreiberei, die deutsche Souveränität einschränken. Sie erwiesen sich aber im Kalten Krieg auch als eine Möglichkeit zur gegenseitigen Kontrolle der Alliierten. Die Sowjets haben so ihre Möglichkeit bis zuletzt genutzt, durch die Missionen, Informationen über die Bundesrepublik zu bekommen. Vorwiegend wurden in der Bünder Mission Fahrzeuge der Marke Opel gefahren. Als ein Admiral Chef dieser Dienststelle wurde, wurde der damalige Wagen dieses Offiziers, ein Mercedes, durch einen Opel Admiral ersetzt. Die Fahrzeuge der Mission, mit ihren gelben Kennzeichen, mit Hammer-, Sichel – und Sternemblem, tauchten überall dort auf, wo westliches Militär zu beobachten war. Durch ihren diplomatenähnlichen Status, ließen sie sich weder von britischer, deutscher Polizei oder den Feldjägern kontrollieren. Selbst nach groben Verkehrsverstößen oder einem Unfall, blieben die Türen ihrer Autos verschlossen.
Mit dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung verloren die Militärmissionen in Deutschland ihre Existenzgrundlage. Zuerst bekamen die Fahrzeuge für eine kurze Zeit Kennzeichen der Briten. 1991 verließen die Russen mit ihren Familien Bünde.
Ich hatte bis zuletzt sehr gute, freundschaftlich Kontakte zu den Mitgliedern der Mission. Dabei habe ich sehr interessante Menschen kennen gelernt. Trotz unserer unterschiedlichen Weltanschauungen ergaben sich Gespräche, an die ich gern zurückdenke. Noch heute habe dann und wann Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der Sowjetischen Militärmission.
Übel genommen hat mir diese Freundschaft damals die deutsche Bundeswehr, denn ich wurde, obwohl ich Reserveoffizier war, nie mehr zu einer Übung eingezogen. Ich war eben zu einem Sicherheitsrisiko geworden.
Foto: Horst Jäcker mit sowjetischen Offizieren und deren Frauen beim Empfang anläßlich des Tages der Oktoberrevolution
Foto 1: Admiral Kondratjew
Foto 2: Vladimir am Eingangstor zur Mission
Foto: 3: Der Admiral, Bündes Bürgermeister Moning,Vladimir Kostin
Foto 4: Weihnachtsfeier in der Militärmission
Foto: Dieses Schild, ein Geschenk der Briten an die Russen, überließen mir die Mitarbeiter der Mission nach der Auflösung.