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Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend. Am Ende und nach dem 2. Weltkrieg.

Von Horst Jäcker

Wir wohnten im jetzigen Bad Oeynhausner Ortsteil Rehme – Babbenhausen. an der Vlothoer Straße 128, zwischen der jetzigen Autobahn Richtung Bielefeld und der Köln – Mindener Eisenbahn. Dort bin ich geboren.

Foto 1: Unser Vater fuhr das 1 Auto auf dem Wiehen
Foto 2: Vor unserem Haus

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Die Autobahn, von der bei Kriegsende nur die Brücke Richtung Hannover fertig gestellt war und die Eisenbahn, waren beliebte Ziele der alliierten Bomber. Als Ende 1938 Geborener kann ich mich noch gut an einige Erlebnisse aus dieser unschönen Zeit erinnern. Sicherlich an Dinge, die für Kinder der heutigen Zeit unvorstellbar wären. Wir dachten nicht an Spielzeug, Urlaub, Kino, Computer oder Ähnliches, sondern an Krieg und Entbehrungen. Sicherlich ging es allen, die so lebten wie wir und unseren Nachbarn, besser, als vielen Menschen in Deutschland, die ausgebombt waren und ihr Zuhause verloren hatten. Bei uns hatte fast jede Familie einen Garten, Schafe oder Ziegen und selbstverständlich Schweine und Hühner. Wir Kinder hatten es schon früh gelernt, mit solch einer Zeit umzugehen. So gehörten denn auch das Schlachten von Geflügel, die Arbeit im Garten und die Versorgung der Haustiere, von frühester Jugend an, zu unseren ganz normalen Aufgaben. Wir sammelten Ähren und Kartoffeln von den abgeernteten Feldern, im Wald und an den Hecken Blau -, Brom – und Himbeeren. Daraus wurde bei uns zu Haus Marmelade gekocht. Eine Besonderheit, für Jugendliche in der heutigen Zeit, war das Sammeln von Schafwolle, von Stacheldrähten der Umzäunungen der Wiesen. Das, was da an Wolle von den Schafherden, der umherziehenden Schäfer, hängen blieb, sammelten wir ein und gaben es zu der Schafwolle, die wir von unseren eigenen Schafen beim Scheren ernteten. Die Wolle wurde von unserer Großmutter Luise gesponnen, danach strickte sie daraus für uns wärmende Kleidung, Socken, Handschuhe, Mützen etc. Diese Kleidungsstücke habe ich in den harten Wintern damals gern getragen. Aber wir hatten auch Erlebnisse, die junge Menschen jetzt nicht mehr haben. Ich nenne hier mal ein paar solcher Vorkommnisse: Bombardierungen der Auto – und Eisenbahn, deutsche und später alliierte Truppenbewegungen, Kohlenzüge, die beim Halt geplündert wurden, Besuche bei Flakhelfern, bei denen es sich zum Teil um Oberschüler aus Bünde handelte, an den Geschützen. Ich kann mich auch daran erinnern, wie ich, beim Einmarsch der Amerikaner, den ersten Farbigen gesehen habe. Es war schon eine bewegte Zeit!

Foto 1: Rehmer Kirche
Foto 2:
Kranzreiten in Oberbecksen

Flugzeugabsturz in Babbenhausen.

Ein Ereignis aus dieser Zeit hat unsere Familie sehr lange begleitet. Im April 1944, als ich fast 6 Jahre alt war, stürzte ein amerikanisches Flugzeug in Babbenhausen, oberhalb des Gutes Deesberg, auf dem Aack, ab. Der Pilot überlebte und wurde vom Rehmer Ortspolizisten Ristow verhaftet. Mein Bruder Walter ging zu dieser Zeit zum Gymnasium in Bad Oeynhausen und hatte die ersten Englischkenntnisse. Deshalb bat ihn der Ordnungshüter, ihm bei der Verständigung mit dem Amerikaner behilflich zu sein. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie der Polizist Ristow, sein Fahrrad schiebend, an unserem Haus mit dem Piloten vorbei kam. Nach dem 2. Weltkrieg wurde an der Stelle, an der das Flugzeug abgestürzt war, vom Kampfmittelräumdienst nach Resten des Flugzeuges gesucht. Meinem Bruder fiel dabei der Propeller des Flugzeuges in die Hände. Später haben wir häufig versucht, etwas über den Crash zu erfahren. Das ist uns damals nie gelungen, denn uns wurde immer gesagt, daß man dazu den genauen Zeit des Absturzes wissen müsste. Den hatten wir, auch bei Nachfragen bei Zeitzeugen, nicht feststellen können. Im Jahre 2011 kamen wir überraschend der Aufklärung näher. In Dankersen bei Minden wurde ein Denkmal für Soldaten, die dort beim Absturz eines Bombers umgekommen waren, eingeweiht. Mein Neffe, der Sohn meines verstorbenen Bruders Walter, Dr. Walter Jäcker, hatte sich, als Präsident der Rotarier, intensiv um die Aufarbeitung des Ereignisses in Dankersen bemüht. Sozusagen als Nebenprodukt, brachte er dadurch Licht in das Dunkel des Absturzes in Babbenhausen. Folgende Aufzeichnungen informierten uns dann über das, was wir schon lange wissen wollten:

„Am 29. 4. 1944 griffen 618 amerikanische B – 17u und B – 24 Bomber mit einer Bombenlast von 1318 to, geschützt durch 814 Jäger, das Stadtgebiet von Berlin sowie Verkehrsanlagen in Brandenburg und Magdeburg an. Second Lieutnant Richard H. Hudson befand sich mit seiner Gruppe auf dem Rückflug, im Rahmen der Begleitschutzmission, als der Motor seiner Mustang plötzlich anfing unregelmäßig zu laufen. Über dem Gebiet der Stadt Bad Oeynhausen konnte er seine Maschine nicht länger in der Luft halten und stieg mit dem Fallschirm aus. Die P – 51 stürzte in Babbenhausen, einem Ortsteil von Rehme, auf einer Ackerfläche 800 m westlich des „Gutes Deesberg“ nieder und brannte vollständig aus. Lt Hudson wurde kurz darauf festgenommen und dem Fliegerhorst in Detmold überstellt. Im Jahre 1979 wurden Reste des Wracks, unter anderem die Bordwaffen und Munition, durch den Kampfmittelräumdienst aus Detmold geborgen“.

Foto 1 und 2: Haus unserer Großmutter am Alten Rehmer Weg. Direkt gegenüber war das Haus der Familie Kraul, in dem der Polizeibeamte Ristow wohnte.

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Foto 1: Bei Onkel Franz und Tante Irmgard.
Foto 2: Oma Luise
Foto 3: 
Konfirmation mit Familie Ruhe

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Foto 1: Karl Junk, bis 1944 Polizist in Babbenhausen, mit Dienstmotorrad Wanderer 97 ccm, 2, 25 PS
Foto 2: Walter Jäcker mit Trippel – Schwimmwagen auf der Weser (Fähre Vössen) Der Wagen hatte einen Opel Motor 3, 6 Liter. Es könnte sein, daß der Trippel Schwimmwagen unserem Vater und einigen seiner Mitarbeiter das Leben gerettet hat, denn diese Fahrzeuge wurden in unserem Betrieb gewartet. Weil wir, dadurch, ein Rüstungsbetrieb gewesen sind, wurden unser Vater und auch ein paar seiner Mitarbeiter nicht zum Kriegsdienst eingezogen.
Foto 3: Betrieb Jäcker & Grotefeld Mindener Straßee

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Daran kann ich mich noch gut erinnern: An die letzten Korbmacher in Rehme und die Blütezeit der Weserhütte

Im Herbst gingen wir ins Wiehengebirge ...

… und in den Amtshausberg, wo wir Bucheckern zur Herstellung von Speiseöl suchten. Wenn wir vom Fischen von der Weser oder den Babbenhausener Teichen zurückkamen, diese Gewässer konnten wir schnell durch unser Gartentor erreichen, brachten wir aus den Wiesen natürlich eine Portion Champions mit nach Haus. Alle Einheimischen hatten, zu der Zeit damals, einen guten, nachbarschaftlichen Zusammenhalt. Man half sich gegenseitig, ob beim „Schwarzschlachten“, beim Betreiben einer Ölmühle oder ähnlichen Dingen. Schnaps, als „Schluck“ bezeichnet wurde, wurde weniger in unserer Nachbarschaft, sondern im alten Ortsteil Rehme „schwarz gebrannt“. Alle Kinder wuchsen praktisch in jedem Haushalt auf und so war es nicht verwunderlich, wenn wir, zum Ärger unserer Mutter, schon gesättigt am Mittagstisch erschienen, weil Tante Minna Tiekenheinrich, unsere Nachbarin, mal wieder etwas Gutes gekocht hatte. Mein gesamtes Leben begleitete mein langjährigster Freund Horst Krüger.

Foto 1: Horst Jäcker und Horst Krüger
Foto 2:
Zwischen Auto und Eisenbahn

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Er hatte immer gute Tipps, wo gerade geschlachtet wurde oder wo man zu sonst irgendwelchen Köstlichkeiten, für die damalige Zeit, kommen konnte. Der war von Kindheit an, ein ausgeschlafener Junge. Unsere echte Freundschaft hat nun schon viele Jahrzehnte unbeschadet überstanden.

Foto 1: Bei Onkel Franz
Foto 2:  Mit Mutter vor dem Bienenhaus
Foto 3: Mein 1 Fahrrad

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Menschen, die wie wir, auf dem „Lande“ lebten, versorgten sich eben selbst. Nicht nur durch Vieh – und Geflügelhaltung und den eigenen Garten, sondern auch mit allem, was der Mensch sonst noch zum Leben brauchte. Mit Honig haben uns unsere Bienenvölker damals versorgt. Das Bild oben zeigt meine Mutter und mich vor unserem Bienenhaus. In den schlimmen Nachkriegsjahren haben wir selbst nicht viel entbehrt. Was wir nicht selbst im Garten oder Stall hatten, wurde kompensiert. Das heißt getauscht. Natürlich hatten wir damals noch niemals Südfrüchte gesehen. So kann ich mich noch sehr gut an die erste Apfelsine erinnern, die ich von Herrn Jan Bahru, einem belgischen Soldaten, bekommen hatte.

Foto 1: Unser Haus, Vlotoerstraße 128
Foto 2: 
Ulla, Horst und Walter

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Wir waren der einzige Haushalt in unserer Umgebung, der ein Telefon hatte. Deshalb war dieses Schild: „FEUERMELDESTELLE“ an unserer Garage.

Dieses Schild, an unserer Garage, war der Hinweis auf unser Telefon. Auch hier gab’s ein Telefon, an der Poststelle bei Fritz Hartwig

Heinrich Eickmeier fiel an der Ostfront..

Jede Nachricht für Bewohner des unteren Ortsteils Babbenhausens, kam zu uns. Auch zum Telefonieren bekamen wir ständig Besuch. Wie das abgerechnet wurde, weiß ich nicht, denn einen Gebührenzähler gab es nicht. Wir, mein Bruder Walter, meine Schwester Ursula oder ich brachten Nachrichten, ob erfreulich oder unerfreulich, weiter. Eine besonders traurige Aufgabe dieser Art, ist für mich unvergesslich. Durch den Garten von Tiekenheinrichs gingen wir oft zu Schusters, mit ihrer Tochter Herta. Für uns war sie, die mit Heinrich Eickmeier verheiratet war, immer nur Tante Herta. Ihr Mann war am 29. 3. 1919 geboren und fiel als Oberfeldwebel am 28. 7. 1944 in Kossow / Rußland. Die Nachricht vom Tode des sehr beliebten Nachbarn kam von der Feldpostdienststelle zu uns. Mein Bruder Walter überbrachte sie Tante Herta. Ich weiß noch genau, wie viel Trauer diese Botschaft in der ganzen Nachbarschaft auslöste. Es war für alle so, als wenn jemand aus der eigenen Familie sein Leben verloren hatte! Aber solche Nachrichten gehörten damals zum täglichen Leben.

Foto 1: Das letzte Familienphoto aus dem Jahre 1943 zeigt Herta Eickmeier mit Sohn Hans – Dieter und Oberfeldwebel Heinrich Eickmeier.
Foto 2 Heinrich Eickmeier mit Sohn Hans-Dieter an der Mauer des Hauses Tiekenheinrich , Vlothoer Straße. Im Hintergrund ist links das Haus Kleemeier und rechts das Haus Pönnighaus zu erkennen. Diese Gebäude stehen dort noch. Das Haus von Eickme

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Der 2. Weltkrieg zwischen Eisen - und Autobahn

So kann ich mich gut an die Angriffe britischer Flugzeuge erinnern, die wir fast täglich miterlebten. Ich sehe noch heute die blitzenden Bomben vom Himmel fallen, deren Ziele die Eisen- und Autobahn oder die Weserhütte sein waren. Zumeist hielten wir uns dann in unserem Bunker, den unser Vater hatte im Garten bauen lassen, auf.

Foto 1: Horst und Schwester Ulla.
Foto 2: 
Horst und Schwester Annegret
Foto 3: Mit unserem Vater beim Fischen

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Foto 1: Walter, Horst, Ulla
Foto 2: 
Horst mit Schäferhund Rex
Foto 3: Heiligabend

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Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Erlebnis, das ich an einem Wintertag, zusammen mit meiner Schwester Ulla, hatte. Wir waren mit einem Schlitten, auf zugefrorenen Wassertümpeln, in den Weserwiesen unterwegs, als wir einen britischen Tiefflieger sahen. Der beschoß eine Flakstellung zwischen Eisen – und Autobahn mit der Bordkanone. Natürlich war es für uns Kinder damals eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns, in solch einem Falle, sofort zu Boden warfen. Von dort aus konnten wir die Besatzung, die aus zwei britischen Soldaten bestand, sehr gut erkennen. An den lächelnden Gesichtern sahen wir, dass sie uns als spielende Kinder erkannt hatten und ihre Waffen für einen Moment schweigen ließen. Die Winter waren zu dieser Zeit übrigens ohnehin strenger, als heute.

Foto 1: Fähre Vössen. Im Hintergrund die Autobahn.
Foto 2: Vor dem Lebensmittelgeschaeft Bueker

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Wir haben häufig auf der zugefrorenen Weser gespielt, Pferdefuhrwerke und sogar unser Vater, mit seinem Opel Kapitän, überquerten die Weser an der Vössener Fähre. Dort hatte man die zusammen geschobenen Eisschollen beseitigt und die Fahrbahn frei gemacht.

Das Foto zeigt: Eisschollen auf der Weser. Im Hintergrund ist die Rehmer Kirche zu sehen.

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