Von Horst Jäcker.
Heinrich Niedermeyer, Lehrer und Jagdpächter in Rehme, ist vielen Älteren noch unter dem Spitznamen „Schliekenfänger„ bekannt. Über ihn gibt es einige lustige Geschichten und auch sind unter den Rehmer Jägern noch Nimrode, die von diesem alten Herrn jagdlich ausgebildet wurden und mit ihm zusammen gejagt haben.
Es gab immer nur sehr wenige Menschen, die Erlebtes für ihre Nachkommen festgehalten haben und bereit waren, ihr Wissen an nachfolgende Generationen weiter zu geben. Heinrich Niedermeyer war einer von denjenigen, die dies gerne taten und erzählte zu seinen Lebzeiten Geschichten über seine Vorgänger , die Rehmer Jäger. Dies ist eine von „Schliekenfängers Erzählungen“: Die Ausrüstungen der Jäger waren früher recht primitiv. Doppelflinten und Drillinge gab es noch nicht. Die Bewaffnung bestand aus Vorderladern mit Zündhütchen und Pulverhorn. Die Hunde der Jäger hatten noch keine gute und vielseitige Ausbildung, sondern jeder Weidmann versuchte seinem vierbeinigen Begleiter vor allem ein sicheres Apportieren beizubringen. Einer dieser guten Hunde war „Hirschmann“, eine Kreuzung aus Deutsch–Kurzhaar und Hannoverschem Schweißhund. Sein Besitzer Wilhelm Uhe, der Inhaber der Holzhandlung Uhe. Aus geschäftlichen Gründen konnte er nicht an einer kleinen Jagd der Rehmer Jäger teilnehmen. Auf „Uhen Holzplatz“, der etwas oberhalb der neuen Brücke am Weserkuß lag, mußte Langholz ausgeschleppt werden. Bei dieser wichtigen Arbeit durfte der Chef selbstverständlich nicht fehlen. Während alle Mitarbeiter dieser traditionsreichen Holzhandlung bemüht waren, die mit einem Floß gelieferten Baumstämme möglichst schnell an Land zu bringen, fielen in der Nähe, am „Strühe“, zwei Schüsse. „Hirschmann“, der Hund des alten Herrn Uhe, war nicht zu halten. Rufen und Pfeifen war vergeblich. Der ansonsten gehorsame vierbeinige Begleiter rannte in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Nach etwa 15 Minuten saß er dann aber wieder mit dem „Krummen“, so wird der Hase unter Jägern auch genannt, im Fang, neben seinem Herrn. Die Freude beim alten Uhe war groß und seine Jagdfreunde gingen mit leerem Rucksack nach Haus.
Aber da Kameradschaftlichkeit unter den Männern der Grünen Farbe schon damals groß geschrieben wurde, saß man abends im „Dorfkrug“, heute Rieks, gemütlich zusammen und feierte dieses Ereignis gebührend. Natürlich war auch der alte Uhe dabei.
Zu der heutigen Straßenbezeichnung, im Bad Oeynhausener Stadtteil Rehme, „Strühkamp“ ist folgendes zu sagen: Der Name kommt von der Flurbezeichnung „Strüh“. In der „Masch“, also in den Weserwiesen, standen früher viele Hecken und Büsche. Später wurden dort große Weidenflächen für die rehmer Korbmacher angelegt. Die Rehmer Insel war eine große Anbaufläche für diese Holzart. Das sogenannte „Strüh“, das sich von der Mühle Kottmeier bis zum Sachsenweg erstreckte, war neben Büschen mit Buchen und Eichen bestockt. Dort wurden auch die Schweine der hiesigen Landwirte, während der Mast dieser Bäume, von den Hirten ausgetrieben. Außerdem waren diese Gebiete ein idealer Lebensraum für das Wild.
Es war im Jahre 1868. Längere Regenfälle hatten die „Korbieke“, den Karbach, auf eine Breite von 3 – 4 m anschwellen lassen. An einem trocknen Tag wollte der Jagdpächter Colon Volle einen Hasen schießen. Bei diesem Gang durch das Werster Revier traf er einen jungen Mann aus Eidinghausen, der ihm schon zuvor gekommen war, einen Hasen gewildert hatte und diesen in der Hand trug. Volle war nicht feige und verfolgte den Wilderer, der daraufhin mit einem gewaltigen satz zusammen mit dem Hasen und seiner Flinte über den Bach sprang. Der schon etwas betagte Volle musste am Ufer des Gewässers seine Verfolgung stoppen, während der Wilddieb, etwa 30 m von dem Jagdpächter entfernt, seine Hose fallen ließ. Seinem Verfolger zeigte er sein nacktes Hinterteil und zitierte Götz von Berlichingen. Auf Plattdeutsch hörte sich das so an: „Likke mui inne Mäse!“ Volle gereit in wut und riß die Flinte von der Schulter. Es folgten ein Knall und ein kräftiger Aufschrei von der anderen Seite des Karbaches. Während der Wilderer mit allergrößter Geschwindigkeit seine Hose hoch riß, rief Volle ihm mit seiner Bärenstimme zu: „Kuik mol! Dat häs diu eok nich dacht, dat eck seone langen Tungen häbbe“. („Sieh mal! Das hast Du auch nicht gedacht, dass ich solch eine lange Zunge habe!“
„Die heutigen Jagdpächter in Werste sind Heinz Südmeier (mit dem Hasen) und Friedel Köskemeier. Zwei Vollblutlandwirte mit einem Herzen für Natur, Geselligkeit und Brauchtum.“
Mein Jagdfreund Bernd – Wilhelm erfreut uns oft mit interessanten Feststellungen. Zwei davon möchte ich hier einmal erzählen:
Wir waren in Ostpreußen zur Jagd. Nach der Morgenpirsch, während der Rotwildbrunft, kam Bernd – Wilhelm glücklich und zufrieden, mit einem Bruch am Hut, zum Forsthaus zurück. Ich erfuhr, daß er ein Stück Schwarzwild erlegt habe und fragte, was es denn gewesen sei. Die Antwort des Glücklichen kam sofort: „Einen Zwischenläufer!“ Gemeint hatte er einen Überläufer.
Kürzlich bekam ich in aller Frühe einen Anruf von Bernd – Wilhelm und er berichtete, daß er einen Bock im heimischen Revier geschossen habe. Auf meine Frage, was es denn für einer sei sagte er:“Das weiß ich auch nicht, den habe ich doch gerade erst erlegt!“ Darauf ich: „Ist es denn ein Sechser?“ Seine Antwort: „Nein, ein Vierer!“ Gemeint hatte er einen Gabler.
Wir, seine Jagdfreunde, freuen uns schon auf weitere Beiträge von Bernd – Wilhelm, die uns zum Schmuzeln bringen. Wir wünschen ihm weiterhin Freude am Weidwerk und Weidmannsheil, obwohl er sich im heimischen Bett oder in seinen Stammkneipen Kaase und Rieks wohler fühlt, als auf dem Hochsitz.
Der Waldmensch Fritz Marks (1851 – 1881) war der Namensgeber für die Gaststätte auf dem Wiehen.
Foto 1: Anblasen einer Jagd vor der Gaststätte „Wilder Schmied“. Karl Pönnighaus, Herbert Bollmann, Heino Kober und Gustav Schnitger
Foto 2: Walter Jäcker fuhr das erste Auto auf denWiehen
Früher fanden Schüsseltreiben, anlässlich von Jagden in Dehme oder Eidinghausen, oft im „Wilden Schmied“ statt. Wenn das nicht so war, dann wurden in oder an der Gaststätte auf dem Wiehen zumindest gemütliche Jagdpausen eingelegt.
Der Namensgeber für das dortige Lokal war der Schmiedegeselle Friedrich Marks aus Rehme. Der hatte dort einen Kotten und ein paar Morgen Land. Weil es in dem Weserdorf aber schon genug Schmiede gab, verdiente er nicht das Salz in der Suppe. Um durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu sichern, stieg der junge Handwerker eines Tages hinauf auf das Wiehengebirge und arbeitete in den dortigen Steinbrüchen.
Weil der Weg zur Arbeit sehr lang war und es Marks gut in der Waldeinsamkeit gefiel, blieb er immer häufiger, auch in der Nacht, in einer wackeligen Baumhütte auf dem Wiehen. Dort hatte er sich ein bescheidenes Lager eingerichtet.
Foto 1 – 3: Der „Wilde Schmied“
Foto 4: In Eidinghausen, in der Nähe vom „Wilden Schmied“, schoß ich meine 1. Schnepfe
Sein Handwerkszeug hatte er mitgebracht. Sogar einen kleinen Amboß schleppte er mit auf den Berg. Später hatte er für sich aus Bruchsteinen eine kleine Unterkunft gebaut und darin eine richtige Werkstatt eingerichtet. Dahin kamen die Bauern von beiden Seiten des Wiehen mit ihren Ackergäulen zum Beschlagen der Pferde.
Die Zeit verging und der Bart des Einsiedlers wuchs bis über die Brust und die langen Haare hingen über die Schultern. Weil er so wild aussah, der Waldschmied vom Wiehen, war es nicht verwunderlich, daß die Leute bald seinen Namen vergessen hatten und nur noch vom „Wilden Schmied“ sprachen.
Eines Morgens stürtzte Marks in einen Steinbruch. Er wurde verletzt aufgefunden, lebte weiter als Einsiedler und verstarb im nächsten Winter an den Folgen des Unglücks in seiner Einsamkeit. Bauern aus der Nachbarschaft brachten den Leichnam zu Tal. Das letzte Stück seiner irdischen Reise legte der „Wilde Schmied“ mit der Fähre von Ditzen, über die Werre, zurück. Zur damaligen Zeit war das die einzige Verbindung zwischen Dehme und Rehme. Nur wenige Meter vom „Alten Fährhaus“, auf dem Alten Rehmer Friedhof an der Kirche, hat der Schmied Fritz Marks seine letzte Ruhestätte gefunden. In Dehme gab es zu dieser Zeit noch keinen Friedhof.
Aus der Schmiede hat sich später die heutige Gastwirtschaft entwickelt. Die Versorgung erfolgte mit Pferd und Wagen. Erst Ende der 20er Jahre fuhr das erste Auto zum „Wilden Schmied“. Am Steuer des Brennabors saß damals mein Vater Walter Jäcker. Die Fahrt ging über den Plattenberg in Dehme.